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Mark Costello führt in seinem neuen Roman die Schwächen der amerikanischen Gesellschaft vor. Paranoia handelt von der Suche nach der Daseinsberechtigung des Einzelnen und vom Verfolgungswahn der Gesellschaft.

Paranoia ist der zweite Roman des Amerikaners Mark Costello und ist in der deutschsprachigen Ausgabe im Februar 2004 erschienen. Laut Autor gibt es keine wirkliche Hauptfigur, sondern sechs Personen mit denen man sich identifizieren kann. Drei Zivilisten und drei Mitglieder des Secret Service. Daher habe ich es beim Lesen verschiedener Kritiken ziemlich interessant gefunden, dass die Story des Romans einheitlich aus der Perspektive der Agentin Vi Asplund nacherzählt wird. Tatsächlich ist sie die einzige der Hauptfiguren, die mit allen anderen Akteuren in Berührung kommt. Trotzdem habe ich beim Lesen des Romans Vi Asplund nicht eindeutig als Hauptperson empfunden. Paranoia lässt den Leser selbst auswählen, wessen Weg durchs Leben er mit dem meisten Interesse verfolgen will.

Die Agenten

Die Handlung um die junge Agentin Vi spiegelt das aktuelle politische Weltgeschehen wieder. Sie beschützt den Vizepräsidenten beim Wahlkampf um das höchste Amt im Staat. Ihre Chefin Gretchen führt ein strenges Regiment beim Secret Service. Gretchen empfindet sich selbst als gute Agentin, ihre Rolle als alleinerziehende Mutter kann sie aber nicht genauso perfekt ausführen. Ein anderer Agentenkollege Tashimo wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert und erfährt, dass er einen Sohn aus einer außerehelichen Beziehung hat. Vis Kollegin Bobby wiederum ist auf der Suche nach dem reichen Märchenprinzen, der ihr ein Leben im Luxus und ohne der Gefahren des Secret Service ermöglicht. Sie alle haben gemeinsam, dass sie das Leben des Vizepräsidenten mit ihrem eigenen Leben verteidigen müssen und möglichen Verschwörungen zuvorkommen sollten.

Die Zivilisten

Vis Bruder Jens arbeitet für eine Softwarefirma und ist Mitkonstrukteur des Kriegsspieles Big If. Er ist für die Erschaffung der Monster des Spieles verantwortlich. Jens zweifelt an der Sinnhaftigkeit seiner Arbeit. Gesteigert werden seine Zweifel noch von der willkürlichen Kündigung seines Arbeitskollegen Naubek. Verheiratet ist er mit der Immobilienmaklerin Peta, die ihren Kunden alle möglichen und unmöglichen Wünsche erfüllen soll. Nebenbei arbeitet sie ehrenamtlich als Wahlhelferin für den Vizepräsidenten. Eine Veranstaltung zum Präsidentschaftswahlkampf ist auch der Schauplatz für das überraschende Ende von Paranoia, bei dem Naubek im Mittelpunkt steht.

Sicherheitsbedürfnis

Alle handelnden Personen haben die Unzufriedenheit mit Teilen ihres Lebens und die Angst, dass irgendetwas Unerwartetes passieren könnte gemeinsam. Von Risiken weiß Vi eine ganze Menge, da sie bereits als Kind von ihrem Vater auf verschiedene Unfallstellen mitgenommen wurde, die er als Versicherungssachverständiger begutachten musste. Vi und die anderen Agenten des Secret Service versuchen möglichst alle Unsicherheitsfaktoren auszuschalten. Ihr Bruder Jens wiederum flüchtet in die mathematische Logik der Computersprache, wo nichts Unvorhersehbares vorkommen kann. Alle handelnden Personen suchen nach einer Fluchtmöglichkeit aus der Realität in eine selbstkonstruierte Scheinwelt, die ihnen die nötige Sicherheit vermittelt.

Paranoia ist ein interessanter Roman, der sich vor allem mit der Konstruktion der verschiedenen Charaktere beschäftigt. Da ich aufgrund des Titels und der meisten Buchbesprechungen eher mit einem Agentenroman gerechnet habe, war ich beim Lesen überrascht, dass die Tätigkeiten des Secret Service eigentlich nur einen kleinen Teil des Werkes ausmachen. Zeitweise war ich auch ein bisschen enttäuscht, da ich die ganze Zeit auf eine großangelegte Verschwörung gewartet habe. Das überraschende Ende von Paranoia hat mich mit dieser Enttäuschung aber mehr als versöhnt.

Big IfBag MenParanoia ist bereits 2003 in englischer Sprache unter dem Titel Big If erschienen. Der erste Roman von Mark Costello erschien 1997 und trägt den Titel Bag Men.